Kira Muratova Retrospektive: Der Klavierstimmer (2004)

In Situ Art Society präsentiert

KIRA MURATOVA FILMRETROSPEKTIVE
Bonn, 11.09.-15.11.2018

Am 6. Juni 2018 verstarb im Alter von 83 Jahren die ukrainische Regisseurin Kira Muratova, die eine wesentliche Rolle in der sowjetischen (sowie der postsowjetischen, ukrainischen und russischen) Kultur spielt. Aus diesem Anlass veranstaltet der Bonner Kunstförderverein In Situ Art Society in Zusammenarbeit mit der Bonner Kinemathek, dem Dialograum Kreuzung an St. Helena und dem ukrainischen Filmarchiv Oleksandr Dovzhenko National Centre eine Filmretrospektive in Bonn:
www.facebook.com/events/939374442932404

"DER KLAVIERSTIMMER" (Ukraine/Russland 2004, 155 Min.)

Regie: Kira Muratova. Drehbuch: Sergej ?etvertkov, Kira Muratova, Evgenij Golubenko (in Anlehnung an ein Buch Arkadij Koškos, Berichte der kriminellen Welt des zaristischen Russlands, von 1926). Kamera: Gennadij Karjuk. Schnitt: Tamara Denisova. Production design: Evgenij Golubenko. Ton: Efim Tureckij. Musik: Valentin Sil’vestrov. Produktion: Pygmalion Production Film Co. Produzent: Sergej ?lijanc. DarstellerInnen: Georgij Deliev, Alla Demidova, Renata Litvinova, Nina Ruslanova, Sergej Bechterev, Natal’ja Buz’ko, Žan Daniel’, Uta Kil’ter, Vladimir Komarov, Filipp Panov, Leonid Kušnir, Vladimir Popov u. a.

Absurde Komödie über das Geld. Ein mittelloser Musiker Andrej wohnt mit seiner divenhaften und mit Schmuck behängten Freundin Lina in einer chaotischen Dachgeschosswohnung. Mit seiner clownesken Art hält Andrej Lina bei Laune und trotz seiner bescheidenen Verhältnisse versucht er sie zu verwöhnen. Doch Lina lässt Andrej immer wieder wissen, dass Geld für sie eine große Rolle spielt. Als Andrej sich einen Nebenjob als Klavierstimmer bei zwei reichen Damen verschafft und diese ihn zunehmend ins Herz schließen, schlägt Lina Andrej vor, eine der Damen umzubringen. Andrej reagiert schockiert, doch schließlich hecken die beiden einen Plan aus, wie sie den Damen eine größere Summe Geld abspenstig machen können. Der Plan ist komplex, doch er beinhaltet weder Mord noch Diebstahl und ist daher auch irgendwo unschuldig: Andrej erzählt den Damen, er müsse seine Angebetete in Frankreich besuchen und brauche dafür 7000 Dollar. Um der skeptischen Anna Sergeevna diese Summe zu entlocken, täuscht er mit fingierten Papieren vor, dass Anna Sergeevna 100.000 Dollar bei einem Gewinnspiel der Bank gewonnen habe. Diese, hocherfreut über den Gewinn, stimmt schließlich zu, ihm die 7000 Dollar zu leihen. Am nächsten Tag fliegt der Schwindel auf und Anna Sergeevna macht sich nach anfänglichem Ärger Vorwürfe, sie selbst hätte den gutherzigen Andrej zu der Tat verleitet, da sie ihm geraten hatte, er müsse um seine Angebetete im Ausland kämpfen.

"Der Klavierstimmer" ist Muratovas humorvollster Film und auch ihr eingängigster seit ihren frühen Schwarzweißfilmen. Die Hauptfiguren stellen mehr oder weniger ausdifferenzierte Charaktere dar, der Filmverlauf weist einen linearen Plot mit einem Spannungsbogen auf. Doch es wäre kein Film Muratovas, wenn er keine Einsprengsel von Verfremdung hätte. An erster Stelle ist in diesem Zusammenhang die Figur Linas zu nennen, die Renata Litvinova mit gewohner Manieriertheit und Übertreibung spielt. Lina trägt nicht nur von Kopf bis Fuß Schmuck, sie schläft auch unter einem Pelz, und wenn sie aufsteht, trägt sie zu ihrem zerfetzten Bademantel Juwelen. Auch die Figur der zweiten Dame, Ljuba, trägt zur Absurdität von einzelnen Szenen bei. Ljuba befindet sich ständig auf Männerjagd, dabei schwankt ihr Charakter zwischen Naivität und Derbheit. Oft wird sie von Herzschmerz und Hysterieanfällen geplagt, die sich beiläufig im Hinter- oder auch Vordergrund einer Szene abspielen. Zu erwähnen wären noch die skurrilen Nebenfiguren, die man aus früheren Muratova-Filmen bereits kennt, und die hier in kleinen Episoden am Rande wieder auftauchen.

(Filmbeschreibung aus: Isa Willinger, "Kira Muratova: Kino und Subversion", Herbert von Halem Verlag, 2013)

Der Film wird in russischer Originalfassung mit englischen Untertitel gezeigt.

Mit freundlicher Unterstützung von:
• Katholisches Bildungswerk Bonn (bildung.erzbistum-koeln.de/bw-bonn)
• Le Charreau - Authentische Weine (www.le-charreau.de)
• Isa Willinger (www.isawillinger.de)